Je nach Wetterlage ziehen wir uns für die Gartenzeiten nach den Mahlzeiten unsere Matschsachen an. Dazu gehören auch Gummistiefel oder wasserdichte Wanderschuhe. Dieses Schuhwerk zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass es Profilrillen hat, die mal tiefer und mal flacher - breiter oder schmaler sind. Wenn es dann nachts oder die Tage vorher geregnet hat, setzt sich in diesen Rillen der feuchte Sand bzw. das pappige Erde-Sandgemisch prima fest. Vor dem Reingehen muss dieser Dreck entfernt werden, denn 1. der Dreck würde an unserem Stiefelkaktus (siehe Slideshow auf unserer Homepagestartseite) trocknen und beim nächsten Aufbruch in den Garten den Garderobenbereich in einen Sandkasten verwandeln 2. unsere liebe Alltagshelferin soll nicht dafür zuständig sein, unseren Dreck wegzufegen 3. durch die Sandsteinchen, Stöckchen und Steine die aus dem Profil fallen und über die dann 27 paar Füsse mit Hausschuhen drüberlaufen, würde sich das Erdwerk in der gesamten Kita ausbreiten UND unseren schönen neuen Bodenbelag zerkratzen UND die Teppiche versauen.
Selbstverständlich ist das eine für Erwachsene typische Sichtweise auf die Situation. Kein Wunder, dass das Stiefelsaubermachen einigen Kindern aus verschiedensten Gründen sehr, sehr lästig ist. Es beginnt vielleicht beim Warten auf eine der 8 Stiefelbürsten mit denen der Sand und die Erde aus dem Stiefelprofil geklopft und gebürstet werden kann. Es liegt vielleicht auch daran, dass man genau beobachtet, wie mit welcher Hingabe manche Kinder mit kleinen Stöckchen den Dreck aus den schmalen Rillen kratzen, um heute den saubersten Stiefel im Flur aufräumen zu können. An diesem Wettbewerb teilzunehmen scheint da für andere aussichtslos. Ein paar Kinder schleudern ihre Stiefel mit Schmackes auf den Steinplattenboden, um die Sohlen ihrer Stiefel matschfrei zu bekommen. Das sieht auch einfach aus, erfordert aber Kraft und Geschick, denn schließlich sollen die Stiefel auf der Sohle landen UND auf der Terrasse und nicht auf dem nächstsitzenden Kind. Außerdem sollen sie nicht bis zum Sandkasten fliegen. Für die jüngeren, beobachtenden Kinder ein riesiger Arbeitsberg.
Zum Glück haben sich mit der Zeit Saubermachprofis herauskristallisiert, die um Hilfe gefragt werden können. Auch mit den Erwachsenen werden Absprachen versucht, wie beispielsweise "Du einen Stiefel und ich einen Stiefel?!" oder "Ich bin so müde, kannst du das nicht machen?......Bitte!". Akzeptiert wurde hier zumindest, dass die Stiefel sauber werden müssen und die Energie wurde in das Ausprobieren verschiedenster ko-konstruktiver Problemlösungsstrategien investiert.
Alleine in diesen 10 Minuten stecken viele Herausforderungen und somit auch Lernmöglichkeiten. Die unterschiedlichen Basiskompetenzen können zusammen mit den anderen Kindern, den Erziehenden und natürlich mit dem Thema an sich geübt und weiterentwickelt werden. Wie viel erfahrungsärmer wäre es für die Kinder, wenn die Erwachsenen einfach alle Stiefel zack-zack sauberklopfen und aufräumen würden? Durch das Selbertun und das Selberverantwortlichsein in solchen alltäglichen Situationen bieten wir den Kindern jeden Tag die Chance, sich selbst als mitgestaltendes und -wirkendes Individuum zu erleben.