.....und an manchen Tagen kommt jeder von uns mal schneller und mal langsamer an seine eigene Grenze. Vielleicht, weil man nicht so gut geschlafen hat und morgens geweckt werden musste, es dann viel schneller beim Zähneputzen, Anziehen und ins Auto einsteigen zu gehen hatte als sonst. Vielleicht, weil es einen schlimmen Streit gab und im Innern noch Ärger pocht oder das dumpfe Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Man kommt also mit einer kurzen Hutschnur ausgestattet in die Kita und erfährt, dass die Lieblingserzieherin heute nicht kommt oder man heute lange bleiben muss, weil Mama noch einen wichtigen Termin auf der Arbeit hat. Der Tag ist quasi gelaufen, bevor er begonnen hat.
Offen und liebevoll nehmen wir Erwachsene morgens beim Begrüßen jedes unserer 24 Kinder in den Blick, um herauszufinden, wie die jeweilige Tagesform beim Betreten der Kita ist: Kommt es fröhlich grüßend und strahlend alleine hinein? Klammert es sich an Mamas Bein fest und weint? Muss heute der Papa mit an die Garderobe kommen und beim Hausschuhe anziehen assistieren? Setzt es sich erst einmal auf die Bank, schweigt, beobachtet die anderen im Flur und beginnt an der Jacke zu knabbern? Schaut es auf die Bilder des Essplans und sagt:"Och, da weiß ich ja schon, dass ich nur Nudeln mit Käse esse heute Mittag!"
24 unterschiedliche Kinder, mit unterschiedlichen (Entwicklungs-)Themen, familiären Situationen und Tagesformen in die täglichen Abläufe, Regeln und Rituale unserer Gemeinschafteinrichtung bedürfnisorientiert einzubeziehen, sie dabei herauszufordern, damit sie ihren nächsten individuellen Entwicklungsschritt gehen können, und dafür zu sorgen, dass sich alle den Tag über wohl und sicher fühlen, ist nicht nur unser gesetzlicher Auftrag. Es ist jeden Tag unser Ziel.
Und idealerweise gehen am Ende der 9 Stunden alle Kinder und Kolleginnen müde, aber erfüllt mit vielen schönen Eindrücken und Erfahungen von der Kita nach Hause.
Leider stimmt hier offensichtlich bloß, dass alle müde sind. Das merken die Eltern, wenn ihr Kind un-end-lich lange beim Anziehen der Schuhe und Jacke braucht oder sich einfach nur auf den Boden der Garderobe legt und nichts tut oder beginnt zu jammern. Das merken die Kolleginnen beim Abschließen der Kita, wenn die Stimme der inneren Grenze anklopft und fragt: Wie sehr musst und möchtest du eine Grenze setzen, um nicht ständig so müde nach Hause zu gehen? Wie viel möchtest du an Liebe und Zuwendung geben? Wo ziehst du deine Grenze zwischen Dienstleistung, Job, Berufung und deinem eigenen professionellen pädagogischen Anspruch?
Und was ist die Konsequenz?